Robert Halver im Gespräch

Notenbanken kaufen marode Staatsanleihen auf und versorgen Banken mit frischem Geld. Damit sollen Kredite an Unternehmen vergeben werden um die Wirtschaft anzukurbeln. Mittlerweile bestimmen die Notenbanken weltweil das Thema Geldpolitik. Robert Halver ist das Gesicht der Börse. Der Finanzexperte stellt Zusammenhänge zwischen Notenbanken und Wirtschaft her.

Das Verarbeitende Gewerbe in den USA befindet sich trotz der zu beobachtenden Stabilisierung des ISM Index weiterhin in Rezessionsterrain. Eingetrübt hat sich im Trend aber auch die Stimmung im bis Mitte 2015 stabilen Dienstleistungssektor. Eine entscheidende Stützte der US-Konjunktur droht an Wirkung einzubüßen.

Entsprechend vorsichtig äußern sich vereinzelte Mitglieder der Notenbank Fed und sprechen bereits von einem „leicht veränderten“ Zinspfad sowie einem angepassten Timing weiterer Zinserhöhungen. Im Übrigen häufen sich die Gerüchte, dass auch ein weiteres Anleiheaufkaufprogramm in den USA – es wäre das vierte – gestartet werden könnte. Die Tür zu einer Aussetzung weiterer Leitzinsrestriktionen ist in jedem Fall aufgestoßen. Die Fed ist sich zwar darüber im Klaren, dass eine geldpolitische Entspannungspolitik keine unmittelbare Wirkung auf die Konjunktur hat. Doch sie vertraut darauf, dass sich via Geldpolitik der Aktienmarkt stabilisiert, der wiederum über einen positiven Vermögenseffekt der Amerikaner – die sich reicher fühlen – zu einer verstärkten Konsumneigung führt. Allerdings hat dieser früher markante Zusammenhang in den letzten Jahren an Relevanz eingebüßt.

Japanische Notenbank: L’état, c’est moi

Die Ängste vor einem hard landing Chinas sorgen für eine Kapitalflucht in den als sicher empfundenen japanischen Yen, der insofern dramatisch aufwertet. Yen-stärkend kommt hinzu, dass der klassische japanische Carry Trade – also zinsgünstige Geldaufnahme in Yen und -anlage in höherverzinslichen Währungen – vor dem Hintergrund eines weltweit insgesamt niedrigen Zinsniveaus kräftig nachgelassen hat. Es fehlt der Hebel von internationalen Zinsdifferenzen. Die den Yen grundsätzlich schwächende Liquiditätsmaschine Japan hat sich in das Gegenteil verkehrt und schwächt als Folgeschaden die Exportwirtschaft Japans.

(Veröffentlicht am 01.03.2016)

Die fatale Exportsituation trifft zusätzlich auf eine unter Überalterung und einem schrumpfenden Mittelstand leidende Binnenwirtschaft, die es der japanischen Volkswirtschaft insgesamt nicht ermöglicht, der Deflationsfalle zu entkommen. Der Not gehorchend hat sich Japan zu einer verstärkten Zusammenarbeit von Geld- und Fiskalpolitik entschieden. Staatliche Konjunkturprogramme, die auch der Infrastruktur Japans zugutekommen und damit auch nachhaltige privatwirtschaftliche Wachstumseffekte erzielen, werden de facto komplett von Anleiheaufkäufen der japanischen Notenbanken finanziert. Die japanische Geldpolitik bleibt bedeutend.

Westliche Notenbanken und China

Offensichtlich hat China die Pause des Neujahrsfests zum Nachdenken genutzt und verstanden, dass man an künstlicher Befruchtung von Konjunktur und Finanzmärkten der westlichen Machart nicht mehr vorbeikommt. Tatsächlich setzt die People’s Bank of China auf den Doppelschlag aus qualitativer und quantitativer Geldpolitik. Über die Verringerung des Mindestreservesatzes für Banken auf 17 von 17,5 Prozent – tiefster Stand seit Mitte 2010 – betreibt sie eine Politik der fortgesetzten Kreditverbilligung. Das Thema Bekämpfung von Kreditblasen ist eindeutig in den Hintergrund getreten. Daneben hat die chinesische Notenbank zuletzt auch die Liquiditätsausstattung der Finanzmärkte verbessert.

Ohnehin hat sie hier gegenüber westlichen Notenbanken noch ein deutliches Nachholpotenzial.

Die Liquiditätsausweitung soll nicht zuletzt den Aktienmarkt stabilisieren, der aufgrund des Mangels aussagekräftiger Konjunkturdaten zum Dreh- und Angelpunkt für die Einschätzung der konjunkturellen Lage „missbraucht“ wird.

Erste Erfolge sind bereits sichtbar: Der Shanghai Composite Aktienindex zeigt sich stabiler und nähert sich sogar wieder der psychologisch wichtigen Marke von 3.000 Punkten an. Die zuletzt festzustellende Stimmungsfestigung am Aktienmarkt dürfte bei zu erwartender Fortsetzung auch positiven Niederschlag bei den Einkaufsmanagerindices im Verarbeitenden und Dienstleistungsgewerbe finden.

Noch einmal wird Draghi nicht enttäuschen (können)

Im Vorfeld der nächsten Sitzung der EZB am 10. März hat Mario Draghi den Boden für weitere Lockerungen der Zinspolitik und bei Anleiheaufkäufen vorbereitet. Dies hat er auch vor der Sitzung im Dezember 2015 getan und dann die Anleger mit einer nahezu unveränderten Geldpolitik enttäuscht. Massive Schwankungen an den Finanz- und Währungsmärkten, die sich auch in realwirtschaftlicher Skepsis entluden, waren die Folge. Diese Erwartungsenttäuschung wird er nicht noch einmal riskieren können. Er wird liefern müssen, weil er sich selbst in massiven Zugzwang gebracht hat. Zu sehr hat er zuletzt immer wieder auf Deflations- und Konjunkturrisiken hingewiesen.

Zu erwarten ist, dass er einerseits den Einlagenzins für Banken von minus 0,3 auf minus 0,4, wenn nicht sogar minus 0,5 Prozent senkt und gleichzeitig die monatlichen Anleiheaufkäufe um bis zu 20 Mrd. Euro monatlich ausweitet.

EZB Forum Central Banking, Sintra, ECB Forum

EZB Chef Mario Draghi (re)

Dem erneut sinkenden Einlagenzins kommt eine besondere Bedeutung zu. Der EZB geht es nicht primär darum, dass die Banken in Abwendung höherer Strafzinsen mehr Kredite an Unternehmen oder Haushalte vergeben. Die Notenbanker wissen, dass in der augenblicklich verunsicherten konjunkturellen Situation und angesichts der Eigenkapitalschonung der Banken keine Dynamik in puncto Kreditausleihungen zu erwarten ist.

Ihre primäre Absicht ist eine andere: Da die EZB nur bis zu dieser Renditeuntergrenze des Einlagenzinses Staatsanleihen erwerben darf, erhöht sich bei Senkung ihr Aufkaufvolumen und verbessern sich damit die Kreditbedingungen der Staatshaushalte im Euroraum. Bereits jetzt sind diese in Deutschland bis zur Anleihelaufzeit von 8 Jahren nicht mit Zinskosten, sondern mit Zinsgewinnen verbunden. Und da die EZB noch mehr auch deutsche Staatspapiere aufkaufen wird, gibt es neben dem Ausbleiben eines Finanzierungsproblems zukünftig auch kein Absatzproblem.

Die EZB will, dass die Staatswirtschaft als Ersatzbefriedigung der Privatwirtschaft fungiert. Marktwirtschaftler wird diese Absicht nicht erfreuen und das ist mehr als verständlich. Doch immerhin wären diese staatlichen Finanzmittel gut investiert, wenn sie zur Verbesserung der Infrastruktur verwendet würden. Die Sanierung von Brücken und Straßen, die konsequente Fortsetzung der Energiewende, der digitale Netzausbau und massive Bildungsinvestitionen würden den Industriestandort Deutschland aufwerten. Dann würden auch wieder Unternehmen zu Investitionen in Deutschland angereizt. Insgesamt würde die üppige Geldpolitik der EZB eine sinnvolle Verwendung finden, wenn auch andere Euro-Länder dem Beispiel Deutschlands folgen würden.

(Quelle: Robert Halver; Baader Bank)

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