Emerging Markets. Nach der Pionierzeit trennt sich die Spreu vom Weizen. Auch 13 Jahre nach der Etablierung des Begriffs „BRIC-Staaten“ verfügen die Schwellenländer im Vergleich zu den etablierten Industriestaaten über solide Fundamentaldaten. Sie hätten grundsätzlich kein Problem, dass euroländische Maastricht-Kriterium einer Staatsverschuldung von maximal 60 Prozent zum BIP zu erfüllen und erzielen gleichzeitig auch noch Wirtschaftswachstumsraten von drei Prozent und mehr.
Asiens Emerging Markets sind besser aufgestellt
China betreibt einen Strukturbruch seiner bisherigen Wirtschaftspolitik. Das Land hat den Pfad der einseitigen wirtschaftlichen Abhängigkeit von Export und Investitionen verlassen und wendet sich stärker der Binnenkonjunktur, dem Konsum zu. Dies ist zwar gleichbedeutend mit geringeren Wirtschaftswachstumsraten, jedoch fallen diese nachhaltiger aus und stabilisieren die chinesische Volkswirtschaft insgesamt. Mit dieser Kursänderung will Peking unbedingt die leidvollen Erfahrungen Japans verhindern, das sich in seiner wirtschaftlichen Sturm- und Drang-Zeit zu sehr auf Export und Immobilieninvestitionen konzentrierte und dann in der Wirtschaftskrise Anfang der 90er-Jahre nicht auf die Stabilität des Konsumsektors zurückgreifen konnte. Aber auch in Indien sind die Weichen für eine konjunkturelle Reifung gestellt. Die neu gewählte Regierung unter Premierminister Modi will eine reformfreundliche Wirtschaftspolitik betreiben. Investitionen in Infrastruktur- und Energieprojekte – übrigens in Kooperation mit chinesischen Unternehmen – sind bereits auf den Weg gebracht.
Grundsätzlich zeichnen sich die südostasiatischen Schwellenländer durch reifende politische Rahmenbedingungen aus. Sie lösen sich von der Rohstoffabhängigkeit und legen ihren Fokus konsequent auf zukunftsträchtige Industrie- und Technologiegüter. Auch Indonesien richtet seine Wirtschaftspolitik nach den Parlamentswahlen wieder auf die Verbesserung der Standortqualitäten aus. Thailand profitiert von seiner wachsenden Mittelschicht und ehrgeizigen Investitionsplänen. Malaysia entwickelt sich zum Zentrum der Technologie- und Chemieindustrie. Das wirtschaftliche Schwergewicht Südkorea ist ohnehin ein Global Player im Automobil- und High Tech-Sektor. Ergänzt wird das Wachstumspotenzial dieser Länder nicht zuletzt durch das mittlerweile professionell funktionierende Freihandelsabkommen der Gemeinschaft südostasiatischer Staaten (Association of Southeast Asian Nations, kurz ASEAN). Sicherlich hängt das Wirtschaftsschicksal Asiens nicht zuletzt von der Konjunkturentwicklung in China ab.
Nach Einschätzung des IWF verfügt China jedoch über genügend fiskalische und geldpolitische Möglichkeiten, ein Wachstum deutlich über dem im Fünf-Jahres-Plan festgeschriebenen Ziel von 7 Prozent zu erreichen. Die Regierung in Peking wird die Wirtschaft während des Transformationsprozesses von einer investitions- und immobiliengetriebenen zu einer stärker konsumorientierten Wirtschaft mit gezielten Unterstützungsmaßnahmen und damit die gesamte Region stützen. Sinnbildlich für die Zukunftsperspektive des chinesischen Konsummodells ist auch der Börsengang der chinesischen Internethandelsplattform Alibaba. Und noch immer haben 500 Millionen Chinesen keinen Zugang zum Internet .
Eine solche zukunftsweisende Weichenstellung in Richtung Industriestaat lässt in Brasilien noch auf sich warten. Die brasilianische Wirtschaft ist in die Rezession abgedriftet. Das Land hat sich noch nicht von seiner massiven Rohstoffabhängigkeit lösen können. Die politische Lähmung verhindert die Beseitigung der strukturellen Standortprobleme zusätzlich. Dringend erforderliche Investitionen in die Infrastruktur insbesondere auch in punkto Ausbau von effizienten Transportwegen für den Rohstoffsektor bleiben aus. Zudem leidet Brasilien unter einer chronisch hohen Inflation, die binnenwirtschaftliche Kaufkraft abschöpft. Eine die hohen Preissteigerungsraten bekämpfende Geldpolitik sorgt für weitere konjunkturelle Reibungsverluste. Die Hoffnungen fußen auf einem wirtschaftsfreundlichen Regierungswechsel am 5. Oktober.
Dem gegenüber avanciert Mexiko zum Musterschüler Lateinamerikas. Als Nachbarstaat zu den USA profitiert das Land von seinem Status als Produktionsstandort für die US-Autoindustrie. Mittlerweile ergreift die mexikanische Regierung auch tiefgreifende Strukturreformen. Mit der Etablierung einer Arbeitslosen- und Rentenversicherung erhöht sie die Anreize für formale Beschäftigung. Zudem öffnete sie den Energiesektor für private und ausländische Investitionen mit positiven Ausstrahleffekten auf die gesamte mexikanische Industrie.
Das wirtschaftliche Bild der Schwellenländer spiegelt sich auch an den Aktienmärkten wider. Seit dem allgemeinen Einbruch der Schwellenländer im Zuge der vermeintlichen Liquiditätsverknappung (Tapering) der US-Notenbank im Frühjahr und Sommer 2013 haben sich auf Euro-Basis vor allem die wirtschaftsstarken Länder Indien, Thailand, Mexiko, Malaysia, China und Südkorea kräftig erholt, während Brasilien deutlich zurückgeblieben ist. Anleger sollten ihren Fokus weiter auf zweifelsfreie Fundamentalqualitäten legen. Zwischenzeitlich volatile Kursbewegungen sind aufgrund u.a. der geopolitischen Großwetterlage grundsätzlich einzukalkulieren. Der russische Aktienmarkt ist geopolitisch – auch aufgrund des Währungsrisikos des Rubels – nur schwer einzuschätzen und insofern risikoreich. Euro-Anleger kommen bei Engagements in den Emerging Markets in den Genuss von zusätzlichen Währungsgewinnen. Denn aufgrund der ultralockeren Geldpolitik der EZB ist für die nächsten Jahre eine Abwertung des Euros auch gegenüber den Währungen der Schwellenländer zu erwarten.