Das wird schon gutgehen. Nach dieser Maxime planen Unternehmen häufig Projekte, an denen Personen aus mehreren Ländern mitwirken, also Cross Culture Projekte werden. Da die Kulturen in den westlichen Euroländern verwandt sind, werden Unterschiede oft unterschätzt. Es gilt, eine emotionale Basis für die Zusammenarbeit herzustellen.
Kennen Sie die Doku-Serie „Goodbye Deutschland“ im Fernsehsender VOX, in der über die Erfahrungen deutscher Auswanderer berichtet wird? Sie stellen oft nach ein, zwei Jahren in der Fremde erstaunt fest: Jetzt lebe ich zwar im Ausland, doch meine besten Freunde sind weiterhin Landsleute von mir. Dabei nahm ich mir vor dem Auswandern vor: Ich möchte nicht in einer deutschen Enklave leben, sondern persönliche Beziehungen zu den „Einheimischen“ aufbauen.
Die meisten Personen, die bisher nur ihren Urlaub im Ausland verbrachten, unterschätzen, wie stark sie durch ihre Heimat geprägt sind. Sie unterschätzen auch, wie sehr es sie mit ihren Landsleuten verbindet, dass sie
- dasselbe Schulsystem durchliefen,
- von Kindesbeinen an dieselben Radiosender hörten,
- es gewohnt sind, den Müll zu trennen,
- und, und, und….
All diese Faktoren prägen unser Empfinden und Erleben und somit auch das, was uns wichtig ist. Deshalb haben Deutsche im Ausland oft das Gefühl: Meine Landsleute verstehen mich besser und schneller als „Einheimische“. Denn erst im tagtäglichen Miteinander registrieren sie die kulturellen Unterschiede im Empfinden, die zu einem unterschiedlichen Verhalten führen. Diese Unterschiede gilt es zu reflektieren. Sonst erwachsen hieraus Vorurteile, die sich mit der Zeit zu (Negativ-)Urteilen verfestigen.
Zwei Beispiele: Oft wandern Deutsche aus, um „stressfreier“ zu leben. Doch schon nach kurzer Zeit klagen sie über die Laisser-faire-Mentalität ihrer neuen Mitbürger. Und Deutsche, die ihrem Vaterland den Rücken kehrten, weil ihnen die deutsche Bürokratie „die Luft zum Atmen nahm“? Sie klagen häufig schon wenige Wochen später darüber, wie willkürlich die Behörden in ihrer neuen Heimat agieren und wie schwierig das Erlangen von Genehmigungen ist.
Cross Culture Projekte: Kulturelle Unterschiede werden meist unterschätzt
Ähnliche Prozesse registriert man auch in Unternehmen, deren Mitarbeiter plötzlich mit ausländischen Partnern zusammenarbeiten müssen – zum Beispiel, weil ihr Arbeitgeber in Spanien ein neues Werk eröffnete. Oder eine Vertriebsorganisation in China gründete. Oder mit einem US-amerikanischen Mitbewerber fusionierte.
In solchen Situationen unterschätzen Unternehmen und ihre Mitarbeiter anfangs oft die kulturellen Implikationen der Zusammenarbeit – und zwar auch dann, wenn die neuen Partner keine „Exoten“, sondern zum Beispiel Dänen oder Franzosen, Engländer oder US-Amerikaner sind. Denn gerade weil die westlichen Industrienationen gemeinsame kulturelle Wurzeln haben, erscheint an der Oberfläche vieles gleich. Das verleitet die Unternehmen dazu, transnationale Projekte getreu der Maxime zu planen: Das wird schon funktionieren. Es wird also wenig Zeit in das Ermitteln der möglichen Knackpunkte in den Projekten und in das Vorbereiten der Mitarbeiter auf die Zusammenarbeit investiert. Denn dies erscheint, anders als wenn die neuen Partner Inder oder Chinesen, Saudis oder Afrikaner sind, nicht nötig. Denn auch die Franzosen und Amerikaner essen mit Messer und Gabel – und nicht mit Stäbchen beziehungsweise den Fingern. Und auch im betrieblichen Miteinander scheint alles weitgehend gleich.
Doch dann startet das Projekt. Und einige Zeit später merken die Verantwortlichen: Irgendwie läuft das Ganze nicht wie geplant. Ständig gibt es Reibereien. Und unsere Botschaften kommen beim Gegenüber nicht an. Dann reift in ihnen allmählich die Erkenntnis: Die kulturellen Unterschiede sind größer als gedacht. Doch leider ist es dann oft zu spät, das Ruder herumzureißen – beziehungsweise hierfür wäre ein enormer Energieaufwand nötig. Denn zu diesem Zeitpunkt haben sich die latenten Vor-Urteile, die jeder Mensch gegenüber Personen aus anderen Kulturen hegt, häufig bereits zu Urteilen verfestigt – Urteilen, die sich in pauschalisierenden Aussagen und Gedanken wie „Die Spanier…“ oder „Die Amerikaner sind halt so“ manifestieren.
Workshops bedürfen wie alle Teamentwicklungsmaßnahmen einer sorgfältigen Planung, denn das Sich-Kennen- und Verstehen-Lernen ist nicht zweckfrei. Die Teilnehmer sollen vielmehr anschließend besser kooperieren. Entsprechend wichtig ist es mit ihnen zu Beginn die Erwartungen zu klären. Leitfragen hierfür können sein:
- Dieser Workshop hätte aus meiner Warte am Ende viel gebracht, wenn …
- Am Wichtigsten ist mir, dass …
Sind die Erwartungen geklärt, wird in solchen Workshops meist über folgende Themenkomplexe gesprochen:
- Welche Merkmale kennzeichnen die (Business-)Kultur der Länder, aus denen die Teilnehmer kommen? Welche Gemeinsamkeiten/Unterschiede gibt es?
- Welche Merkmale kennzeichnen die (Teil-)Organisationen, für die die Teilnehmer arbeiten? Welche Gemeinsamkeiten/Unterschiede gibt es?
- Was macht die Teilnehmer als Personen aus? Welche Vorlieben usw. haben sie?
- Welche Regeln sollen für die Zusammenarbeit gelten?
Über diese Themen sollte kein Dozent referieren. Vielmehr sollten die Teilnehmer hierüber miteinander sprechen, damit das Eis zwischen ihnen bricht. Denn das zentrale Ziel solcher Workshops ist: Die Teilnehmer sollen sich am Schluss als Personen wechselseitig wertschätzen. Denn bei der späteren Zusammenarbeit entstehen werden immer wieder Irritationen. Das ist bei jedem Projekt der Fall. Der einzige Unterschied bei transnationalen Projekten: Die möglichen Ursachen sind vielfältiger. Und: Die Teilnehmer haben, wenn etwas schief geht, schnell eine Entschuldigung parat. „Das liegt an den Amerikanern…“, „… den Spaniern…“, „… den Deutschen, denn die …“.
Deshalb sollte mit den Teilnehmern auch erarbeitet werden, dass wechselseitiger Respekt und die Bereitschaft, sich zu verstehen und zu kooperieren, die Grundvoraussetzungen für eine erfolgreiche Zusammenarbeit sind. In welchem Verhalten sich Respekt zeigt, ist von Kultur zu Kultur verschieden. Folglich sollten in den Workshops auch Fragen erörtert werden wie:
- In welchen Situationen habe ich mich (nicht) respektiert gefühlt?
- Wie erweist man in meinem Land anderen Personen seinen Respekt?
- Welche Unterschiede gibt es zwischen unseren Ländern?
- Wie sollte eine Person sich verhalten, damit sie in unserem Unternehmen respektiert wird?
Aus den Antworten können Regeln für den Umgang miteinander abgeleitet werden. Eine Regel sollte sein: Wenn jemand einen Regelverstoß begeht, dann ziehe ich mich nicht schmollend zurück. Dann frage ich vielmehr die Person, warum sie sich so verhalten hat. Denn die meisten Regelverletzungen erfolgen aufgrund von Missverständnissen. Oder weil der betreffenden Person Infos fehlten. Oder weil sie in Stress war. Oder weil … Entsprechend leicht lassen sich die hieraus resultierenden Irritationen meist auflösen, wenn man miteinander spricht – ohne den anderen sogleich anzuklagen.
Information zur Autorin: Sabine Machwürth ist geschäftsführende Gesellschafterin der international agierenden Unternehmensberatung Machwürth Team International (MTI Consultancy), Visselhövede (D), für die weltweit 450 Berater, Trainer und Projektmanager tätig sind (Internet: www.mticonsultancy.com; E-Mail: info@mwteam.de).