Robert Halver: Die Outperformance von Aktien der Eurozone gegenüber US-Titeln hat sich seit Mai umgekehrt. Nach den Euro-freundlichen Wahlergebnissen in den Niederlanden und Frankreich liegt der Fokus der Anleger zukünftig darauf, inwiefern das politische Europa insbesondere in Frankreich bereit ist, seine tiefgreifenden strukturellen Probleme mit dringend notwendigen, allumfassenden Reformen zu beseitigen, die dann zu positiven konjunkturellen Überraschungen führen.
Innerhalb Europas sprechen die fundamentalen Argumente in der zweiten Jahreshälfte 2017 für deutsche Aktien. In Deutschland befinden sich die ifo Geschäftserwartungen auf dem höchsten Stand seit Februar 2014. Die deutsche export- und industrielastige Substanz bleibt bei Anlegern gefragt, da sie typischerweise von den zumindest stabilen Aussichten der Weltwirtschaft profitiert. Selbst der vergleichsweise festere Euro kann die deutsche Exportstärke nicht trüben. Die Exportindustrie hat schon deutlich höhere Euro-Kurse ausgehalten. Hinzu kommt, dass ein US-Handelsprotektionismus an Drohpotenzial für die deutsche und Weltwirtschaft verloren hat. Er stößt selbst im politischen Washington auf Widerstand, das sich grundsätzlich vor einem amerikanischen Isolationismus fürchtet, der Russland und China mehr an Einfluss gewinnen lassen würde.
Eine weitere Erholung deutscher Unternehmensgewinne, die historisch verbesserten ifo Geschäftserwartungen mit einer zeitlichen Verzögerung von sechs Monaten folgen, ist zu erwarten.
Nicht zuletzt verliert der für US-Investoren in Europa bedeutende britische Aktienmarkt aufgrund des unsicheren Verlaufs der Brexit-Verhandlungen an Attraktivität. In der Tat zeigen sich immer mehr rezessive Tendenzen. An seine Stelle rückt der deutsche Aktienmarkt – und Frankreich, wenn dort Reformen ergriffen werden – verstärkt in den Fokus.
Robert Halver Marktstimmung – Wo Krisen kommen, werden die Notenbanken nicht gehen
Die technischen Fähigkeiten Nordkoreas, Interkontinentalraketen im Extremfall mit Atomwaffen zu bestücken, könnten zu einem kalten Krieg in Fernost führen, der dem nordkoreanischen Machthaber Erpressungspotenziale eröffnet. Mit den Raketentests will Kim Jong Un von der wirtschaftlichen Misere im Land ablenken. Zunächst ist China aufgefordert, seinen kommunistischen Bruderstaat mit wirtschaftlicher Aufbauhilfe im Gegenzug für ein gesichtswahrendes Einlenken zum Umdenken zu bewegen. Peking hat kein Interesse an einem Brandherd vor der eigene Haustür, der seine geopolitische und auch wirtschaftspolitische Position schwächt. Es wäre wünschenswert, wenn Präsident Trump China Zeit für friedliche Lösungen ohne Verbalentgleisungen gibt. Im militärischen Extremfall sollten beide Weltmächte zusammenarbeiten. Aktienseitig sind die asiatischen Aktienbörsen am stärksten negativ betroffen sein.
Der Prozess des EU-Austritts Großbritanniens ist ein Experiment mit unklaren Folgen. Im weiteren Jahresverlauf dürfte sich die Meinung festigen, dass es im zermürbenden Verhandlungsmarathon um einen weichen Brexit geht. Dessen langfristig unklare Ausgestaltung kann die europäischen Aktienmärkte zwischenzeitlich verunsichern. Ebenso können im Vorfeld der Wahlen in Italien im Frühjahr 2018 Bedenken vor einem Euro-kritischen Wahlausgang stärker in den Vordergrund treten, so dass die Volatilität an den Aktienmärkten zwar zunehmen dürfte. Nachhaltige EU-Systemrisiken und damit verbundene deutliche Aktienrisiken sind jedoch nicht zu erwarten, da die Geldpolitik als Risikopuffer wirkt. Eine an sich wünschenswerte stabilitätsorientierte Notenbankpolitik wird nicht ergriffen, um die politische Stabilität der Eurozone nicht zu gefährden.
Charttechnik DAX und MDAX – Langfristig alles im grünen Bereich
Aus charttechnischer Sicht verlaufen beim DAX die ersten Unterstützungen bei 12.424 und 12.391 Punkten. Darunter folgt bei 12.313 eine weitere Haltelinie. Setzt der Index seine Korrektur fort, bieten die Marken bei 12.159, 12.083 und schließlich 12.010 Punkten Halt. Kann der Index auf der Oberseite den Widerstand bei 12.483 zurückerobern, liegt die nächste Barriere bei 12.511. Anschließend stößt der Index bei 12.621, 12.762 und letztlich bei 12.700 Punkten auf weitere Widerstände.
Der MDAX trifft bei einer fortgesetzten Konsolidierung bei 24.607 Punkten auf eine erste Unterstützung. Weitere Haltelinien liegen darunter bei 24.195 und 23.635. Erobert der Index auf dem Weg nach oben den Widerstand bei 24.262 zurück, können Anschlusskäufe den MDAX zu einem neuen Allzeithoch tragen.