Robert Halver Börse und Aktien Profi

Robert Halver: Der Revolver der EZB bleibt geladen

Im Gegensatz zur Fed hat die EZB keine Veranlassung, ihre geldpolitische Offensive zurückzufahren. In Euroland gilt es für EZB-Chef Draghi, mögliche Ausstrahleffekte des Tapering in Form negativer Renditeeffekte für die euroländischen Staatsanleihemärkte zu verhindern.

Die Konjunkturstimmung der Eurozone insgesamt ist immer noch sehr verhalten. Ohnehin ist die EZB gezwungen, der schwachen Wirtschaftserholung in der Euro-Südzone weiter unter die Arme zu greifen. Diesbezüglich dürfte der politische Druck der Euro-Länder auf die Notenbank noch weiter zunehmen – über ein geldpolitisch gedrücktes Renditeniveau – die Zinslast der Staatsschulden zur Konjunkturfinanzierung zu beschränken. Vor diesem Hintergrund lässt sich die EZB mit erwarteten Inflationsprognosen für 2014 und 2015 von 1,1 bzw. 1,3 Prozent alle Türen für weitere geldpolitische Maßnahmen offen. So signalisierte Notenbankchef Draghi bereits auf der letzten Sitzung der EZB, dass die Bereitschaft zum Einsatz aller möglichen Instrumente sehr hoch sei.  

Tapering – Lasst die Katze endlich aus dem Sack
Die globalen Konjunkturperspektiven hellen sich weiter auf. In China hält sich der Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe mit 51,4 stabil im Expansion anzeigenden Bereich. China scheint der gesunde Übergang von einer rasanten, primär export- und immobiliengetriebenen Konjunktur hin zu einer nachhaltiger wachsenden, stabileren Wirtschaft, die auf die Kaufkraft einer immer breiter werdenden Mittelschicht setzt, zu gelingen. Auch die US-Konjunktur setzt ihre Erholung fort. In den USA setzt der ISM Index für das Verarbeitende Gewerbe seine seit Juni anhaltende Aufwärtsbewegung fort und notiert mit aktuell 57,3 auf dem höchsten Wert seit 31 Monaten. Insbesondere die Neuauftragskomponente signalisiert eine deutliche Konjunkturerholung auf dem amerikanischen Industriesektor. Und der ISM Index für das Dienstleistungsgewerbe liegt mit 53,9 immer noch komfortabel im Expansion anzeigenden Bereich.  
Die Causa Tapering
Trotz insgesamt aufgehellter Konjunkturstimmung in den USA zeigen die von der Fed zur geldpolitischen Entscheidungsfindung herangezogenen Wirtschaftsindikatoren noch kein klares Bild, das eine Drosselung der Anleihenaufkäufe der US-Notenbank zwingend erforderlich macht. Zwar liegt das US-Wirtschaftswachstum mit zuletzt 3,6 Prozent zum Vorquartal eindeutig über der geldpolitischen Zielgröße von drei Prozent. Allerdings zeigt sich die Inflationsrate mit aktuell einem Prozent weit entfernt vom neuralgischen Wert von 2,5 Prozent und ist im Trend sogar abwärts gerichtet. Solche Desinflationierungen nimmt die US-Notenbank aufgrund des Nationaltraumas der Great Depression in den 1930er Jahren ernst. Das entscheidende Kriterium „Arbeitsmarkt“ stellt ein Tapering zunehmend in Aussicht. Die aktuelle US-Arbeitslosenquote liegt zwar noch oberhalb des von der Fed definierten Zielwerts von 6,5 Prozent. Aber die laufende Verbesserung über die letzten Monate ist unverkennbar. Mit zuletzt 203 Tausend lag der Stellenaufbau oberhalb der geldpolitischen Zielgröße von 200 Tausend, auch wenn dieser Wert im Durchschnitt der letzten sechs Monate noch nicht erreicht wurde. Insgesamt zeigt sich die Arbeitsmarkterholung in den wichtigen US-Wirtschaftssektoren seit Jahresbeginn 2013 in einer Seitwärtsbewegung. Nach dem Einbruch im Sommer zeichnen sich in der Industrie und im Baugewerbe Erholungstendenzen ab. Dagegen zeigt der Stellenaufbau im Dienstleistungssektor nach einem starken Sommer immer noch Schwäche. Die zuletzt gegenläufige, zukünftige Beschäftigungseinschätzung in der Industrie und dem Dienstleistungssektor signalisieren insgesamt eine Fortführung dieses Seitwärtstrends.  
Beim Tapering müssen Fakten geschaffen werden
Folgt man der Rhetorik der US-Notenbank, so muss der Eindruck entstehen, man wolle das Tapering so lange wie möglich, bis zum Amtsantritt der designierten Fed-Chefin Janet Yellen, hinauszögern. So ist im aktuellen Konjunkturbericht der Fed – Beige Book – die Rede von einer grundsätzlichen Fortsetzung der US-Konjunkturerholung, der allerdings die gewünschte Dynamik, insbesondere auf dem US-Arbeitsmarkt, fehlt. Nach der Hinauszögerung des Tapering im September klopfen die Finanzmärkte jedes Konjunkturdatum auf seine Tapering-Relevanz ab. Die langatmige Debatte über das Ob, Wann und Wie eines möglichen Taperings ist der Hauptunsicherheitsfaktor für die Finanzmärkte und die Schwellenländer, der nicht mit in das Anlagejahr 2014 hineingeschleppt werden sollte. Daher spricht viel dafür, auf der Fed-Sitzung am 17. und 18. Dezember das Tapering anzukündigen, das dann im Frühjahr 2014 starten könnte. Würde die Fed für diese Klarheit sorgen, einen transparenten Tapering-Zeitplan und zusätzlich lediglich eine sanfte Drosselung der Anleihenaufkäufe bekannt geben, könnte sie möglichen Marktturbulenzen kräftig entgegenwirken. Zur Begegnung aufkommender Ängste vor einer Zinswende könnte die Fed zudem ihre Konjunkturprojektionen für die kommenden Jahre passiver formulieren und damit die Bedingungen für Zinserhöhungen verschärfen. So könnte sie den Zielwert für die US-Arbeitslosenquote – wie bereist mehrfach von Verantwortlichen der Fed hinter vorgehaltener Hand angedeutet – von 6,5 auf 5,5 Prozent verringern und damit der langfristigen Vorabfestlegung auf ihre Niedrigzinspolitik noch mehr Gewicht verleihen. Die Finanzmärkte würden dann schnell realisieren, dass ihnen weder liquiditätspolitisch noch zinspolitisch Ungemach droht.  
Die Zinsstrukturkurve spricht gegen einen Aktieneinbruch
Klare Anhaltspunkte für eine auch zukünftig freundliche Aktienmarktstimmung stellen die in den USA und Euroland zu beobachtenden, steilen Zinsstrukturkurven dar. Steile Zinsstrukturkurven – d.h. die Renditen deutscher Staatsanleihen liegen höher als die Notenbankzinsen – lassen sich historisch bereits während der Aktienhaussen im Zeitraum von 1993 bis 2000 und 2003 bis 2008 feststellen. Offenbar wirken diese Zinsstrukturen auf Aktien wie Katalysatoren. Denn die Erzeugung einer steilen Zinsstrukturkurve über niedrige Notenbankzinsen führte zu einem attraktiven Investitionsklima, das eine zinsgünstige kurzfristige Geldaufnahme zur höher verzinslichen, längerfristigen Geldanlage auch in Aktien begünstigt. Die Liquiditätshaltung hingegen war unattraktiv. Vor dem Hintergrund Euro-krisenbedingter, langfristig notwendiger Niedrigzinsen der EZB wird sich dieses günstige Zinsszenario auch nicht ändern. Eine abflachende oder sogar inverse, also negative Zinsstrukturkurve, bei der die Notenbankzinsen sich den Renditen von Staatsanleihen angleichen bzw. diese übersteigen, ist nicht zu befürchten. Insofern bleibt dem deutschen Aktienmarkt (DAX) ein Kurseinbruch wie z.B. in den Jahren 2000 und 2008 erspart. Damals verflachten sich die bis dato steilen Zinsstrukturkurven über die Zinserhöhungen der EZB dramatisch und wurden in der Spitze sogar negativ. Den Aktienblasen des Neuen Markts bzw. der Immobilieneuphorie wurden die Argumente entzogen. Sie platzten. Denn das sichere Parken von Geld wurde zunehmend attraktiver als Investitionen in länger laufende, riskante Anlageklassen wie Aktien. Angesichts der anhaltend steilen Zinsstrukturkurve wird der aktuelle Bullenmarkt im DAX seit März 2009 so schnell kein Ende finden.  
Aktuelle Marktlage und Charttechnik
Grundsätzliches Ungemach für die Aktienmärkte ist seitens der Notenbanken nicht zu befürchten. Die zuletzt stattgefundene Konsolidierung am deutschen Aktienmarkt ist eher als reinigendes Gewitter zu betrachten. Auch zukünftig sind zwischenzeitliche Konsolidierungen im DAX nicht auszuschließen. Das gilt insbesondere in Hinblick auf die am 17. und 18. Dezember anstehende Sitzung der US-Notenbank, die im Zeichen des drohenden Taperings steht. Aus charttechnischer Sicht trifft der DAX bei einer fortgeführten Konsolidierung an der Kurslücke zwischen 9.101 und 9.074 Punkten auf eine erste Unterstützung. Darunter liegen die nächsten starken Unterstützungslinien bei rund 8.962 und bei 8.770 Punkten. Auf dem Weg nach oben stößt der DAX bei 9.253 und darüber bei 9.313 Punkten auf ersten Widerstand. Darüber ist der Weg für einen Anstieg bis zum Jahresendziel bei 9.500 Punkten frei.  
Und was passiert in der 50. Kalenderwoche?
In den USA zeugen freundliche Einzelhandelszahlen von einer stabilen Konsumstimmung. In Deutschland zeugt eine robuste Industrieproduktion im Oktober von der anhaltenden Erstarkung der deutschen Industrie. Die schwächeren Exportzahlen sind als Verschnaufpause nach den starken Vormonatsdaten zu sehen. Der Autor dieses Artikels ist Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank AG. www.bondboard.de  
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