Robert Halver, Finanzmarktexperte der Baader Bank und das „Gesicht“ der Börse meint: Euroland spart sich das Sparen. Krisenherde sind in Euroland mühelos zu erkennen. Siehe Zypern.

Die Streitereien über das Rettungspaket für Zypern halten an, in Griechenland tun sich erneut Abgründe in punkto Umsetzung der Reform- und Sparanforderungen auf und Beppe Grillo, Führer der drittstärksten italienischen Partei „Fünf Sterne Bewegung“, prognostiziert bereits den Austritt Italiens aus der Eurozone. De facto ist Italien unregierbar. Die Rating-Agentur Fitch hat bereits die italienische Kreditwürdigkeit herabgestuft. Und wo politische Lähmung herrscht, bleibt die schlechte Wirtschaftsstimmung nicht lange aus.

Der Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe in Italien hat sich zuletzt auf einen Wert von 45,8 eingetrübt und liegt damit weit entfernt von der Expansion anzeigenden Schwelle von 50. Internationale Investoren haben ganz feine Antennen für Unsicherheiten und Krisen. Sie meiden unsichere Länder kategorisch. In dieses Bild passt die Wachstumsschwäche der drittgrößten Euro-Volkswirtschaft. Die Wirtschaft ist im IV. Quartal 2012 mit -0,9 Prozent zum Vorquartal bereits das sechste Quartal in Folge geschrumpft.

Bedenklich ist in der Euro-Südzone insbesondere die Arbeitslosigkeit. So führt die Wettbewerbsschwäche, wie zuletzt bei großen französischen Autobauern deutlich zu erkennen, zu massiven Stellenstreichungen. Eine rekordhohe Arbeitslosigkeit in Spanien (26,4 Prozent), Italien (11,5 Prozent) und Frankreich (10,6 Prozent) mit zunehmenden sozialen Spannungen ist eine reale Gefahr.

Um dieser bedrohlichen Entwicklung in Euroland Einhalt zu gebieten und Wachstumspotenziale zu erhalten, zeigt sich die Euro-Politik deutlich weniger spar- und reformorientiert. [gn_quote style=“1″]Auf dem letzten EU-Gipfel der Regierungschefs in Brüssel hat man die Fesseln der Sparpolitik für die kriselnden Staaten der Euro-Südzone gelockert. Dabei kommt die Generalabsolution ausgerechnet von Sparkanzlerin Merkel, die unüberhörbar Wachstumsappelle verlauten ließ[/gn_quote] Sie hat erkennen müssen, dass die Wähler eine reformorientierte Politik mehrheitlich abstrafen.

Da die volkswirtschaftlichen Nachfrageaggregate Außenhandel, private Investitionen und Konsum deutlich an Bedeutung verloren haben und in der Projektion bis 2014 weiter verlieren werden, lassen sich Wachstumsimpulse nur über eine schuldengetriebene Konjunkturpolitik erzielen. Ansonsten drohte eine scharfe Rezession mit noch mehr sozialen Verwerfungen und politischen Risiken. Die Schuldenpolitik ist wieder hoffähig geworden.

[gn_heading style=“1″]Stärke der US-Aktien nicht nur ein Zuckerrausch[/gn_heading]

Dagegen schreitet in den USA die Konjunkturerholung voran. Dabei sind nicht nur die Frühindikatoren der US-Industrie – erste Anzeichen für eine beginnende Reindustrialisierung Amerikas – aufwärtsgerichtet. Auch die harten Fakten sprechen eine deutliche Sprache. So haben sich die Bruttogewinne der US-Unternehmen seit dem Platzen der Immobilienkrise 2008 sehr dynamisch erholt und zuletzt sogar neue Rekordstände erreicht. Diese Gewinnerholung von Corporate America stützt auch deutlich den US-Aktienmarkt. Die Erholung der US-Aktien ist also nicht allein dem Zuckerrausch der Fed zu verdanken. Mittlerweile existieren auch harte fundamentale Argumente.

Diese US-Aktienhausse trägt dabei auch zur Erholung der Vermögenssituation der privaten US-Haushalte bei. Schließlich machen laut Statistiken der US-Notenbank Aktien und Aktienfonds knapp 20 Prozent der Vermögenswerte privater Haushalte aus. Der deutliche Rückgang des privaten Netto-Haushaltsvermögens – Vermögenswerte abzüglich Hypothekenkredite und anderer Verbindlichkeiten – zwischen dem IV. Quartal 2007 und dem I. Quartal 2009 in Folge der geplatzten Immobilienblase und den massiven Kursverlusten an der Börse wurde bereits wieder fast vollständig aufgeholt. In diesem Zeitraum haben sich die Kursstände im US-amerikanischen S&P 500 Index mehr als verdoppelt. Die von der US-Notenbank angestrebte Stärkung der Vermögenspreisinflation der privaten US-Haushalte, die aufgrund von Reichtumseffekten zu einer verbesserten Konsumstimmung führen soll, ist insofern erfolgreich.

Tatsächlich hat sich das Konsumvertrauen der Amerikaner – gemessen am Vertrauensindex der Universität von Michigan – erholt. Davon haben auch die Einzelhandelsumsätze mit zuletzt plus 4,6 Prozent zum Vorjahr profitiert, die damit wieder auf dem Vorkrisenniveau von 2007 liegen. Offensichtlich hinterlassen damit die zum 1. Januar in Kraft getretenen Steuererhöhungen nicht die befürchteten Bremsspuren im Konsum.

[gn_heading style=“1″]Freundliche Berichtsaison erfüllt Dividendenphantasien[/gn_heading]

In Deutschland überzeugen auch zum Ende der Berichtsaison die Quartalsausweise bzw. Jahresabschlüsse sowie die grundsätzlich freundlichen Ausblicke. Vor diesem Hintergrund bleiben die Dividenden gut unterfüttert: 2013 dürfte für die Aktionäre von DAX-Unternehmen insgesamt ein gutes Dividendenjahr werden. Gut die Hälfte aller im deutschen Leitindex gelisteten Unternehmen haben ihre Ausschüttungssummen erhöht. Die grundsätzlich hohe Überschussliquidität geben die Unternehmen offenbar an ihre Aktionäre weiter.

Neben der fundamentalen Erholung der deutschen Wirtschaft aufgrund der sich abzeichnenden weltkonjunkturellen Erholung dient damit auch die anstehende Dividendensaison als schlagendes Argument für den Aktienmarkt. Deutsche – aber auch europäische Substanzaktien – liefern auch nach Abzug der Inflation eine ordentliche Dividendenrendite, die die Umlaufrendite von deutschen Staatsanleihen sowie Festgeldanlagen weit in den Schatten stellt.

[gn_heading style=“1″]Veränderte Anlagestrategie spricht für Aktien[/gn_heading]

Aber nicht nur aus fundamentaler Sicht erfährt die Kursrallye am deutschen Aktienmarkt eine zunehmende Befestigung. Auch von „anlagetechnischer“ Seite spricht vieles für ein weiter freundliches Aktienklima. [gn_highlight bg=“#cf6f2b“ color=“#000000″]In Ermangelung renditeträchtiger Anlagealternativen stehen insbesondere institutionelle Investoren zunehmend unter Anlagedruck[/gn_highlight].

An der historischen Entwicklung des CDAX Performance Index – der alle an der Frankfurter Börse gelisteten Unternehmen umfasst – und der Umlaufrendite deutscher Bundeswertpapiere seit 1990 lässt sich ablesen, dass frühere Aktienkursbefestigungen auch deshalb Schaden nehmen konnten, da Staatspapiere immer als attraktive Alternative bereit standen. Heute nach einer mittlerweile 23-jährigen Hausse bietet die Anlageklasse deutscher Staatsanleihen diese attraktiven Renditen nicht mehr, erst Recht nach Inflation. Der Drang, in Aktien zu investieren, dürfte sich insofern verstärken und als wichtige Triebfeder für zukünftige Kurssteigerungen erweisen.

[gn_heading style=“1″]Und was passiert in der Kalenderwoche 12/2013?[/gn_heading]

Die Anleger werden die sich fortsetzenden Koalitionsverhandlungen in Italien kritisch verfolgen. Das Euro-Rettungsversprechen von Draghi sollte aber grundsätzlich weiter für Ruhe an den Staatsanleihemärkten sorgen. Mit zwischenzeitlichen Schwankungen an den Finanzmärkten muss aber trotzdem gerechnet werden.

Auf Makroebene richtet sich der Blick der Anleger auf den prallen Kalender von Konjunkturdaten. Für die USA signalisiert der Einkaufsmanagerindex der Philadelphia Fed – aufgrund der Industriedichte im Ballungsraum der Stadt ist er ein valider Indikator für die Entwicklung der gesamten US-Industrie – eine anhaltende Konjunkturstabilisierung. Zudem dokumentieren die US-Baubeginne und -genehmigungen die robuste Erholung des US-Immobiliensektors. Diese wird sich dank einer weiterhin massiven zins- und liquiditätspolitischen Unterstützung der US-Notenbank fortsetzen. Die Fed behält den Stimulus u.a. wegen der grundsätzlichen Unsicherheit über mögliche Bremseffekte der Kürzungen im US-Haushalt bei.

In Euroland kommt es erneut zum konjunkturellen Stimmungstest. Dabei dürften die Einkaufsmanagerindices für das Verarbeitende Gewerbe in Euroland insgesamt weiter auf eine langsame Konjunkturerholung hinweisen. Die Konjunkturlokomotive bleibt Deutschland. Daran lassen die sich erneut aufhellenden ZEW Konjunktur- und ifo Geschäftsklimadaten keinen Zweifel. Die Konjunkturwende nach der Wachstumsdelle im Schlussquartal 2012 zeichnet sich damit bereits ab.

[gn_quote style=“2″]Aus charttechnischer Sicht dürfte der deutsche Leitindex auf dem Weg nach oben aufgrund der überkauften Lage durchaus eine Verschnaufpause einlegen. Wird schließlich aber der Widerstand bei 8151 Punkten durchbrochen, ist der Weg zu neuen Allzeithochs frei[/gn_quote]

Im Falle einer Konsolidierung liegt auf der Unterseite die erste signifikante Unterstützung am ursprünglichen Jahreshoch bei 7872 Punkten. Darunter verlaufen weitere Haltelinien bei 7785 Punkten und am mittelfristigen Aufwärtstrend bei 7762 Punkten.

Der Autor dieses Artikels ist Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank AG. www.Baadermarkets.de

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