In Change-Projekten sind Führungskräfte unter anderem als Wegweiser und Ermutiger ihrer Mitarbeiter gefragt. Das stellt besondere Anforderungen an ihr Kommunikationsverhalten. Einige Hinweise, wie Sie als Führungskraft in Change-Projekten wirkungsvoll mit ihren Mitarbeitern kommunizieren.
„Survival of the fittest” – seit Darwin wissen wir: Veränderung ist ein essentieller Bestandteil des Lebens. Das gilt für Lebewesen und soziale Systeme wie Unternehmen. Auch sie überleben auf Dauer nur, wenn sie sich ihrem sich verändernden Umfeld anpassen.
Tipps für die Führungskommunikation: Suchen Sie immer wieder, auch scheinbar anlasslos, das Gespräch mit ihren Mitarbeitern über das Thema Veränderung. Sprechen Sie mit ihnen zum Beispiel darüber, was sich im Markt so alles tut – aufgrund der Globalisierung, der Digitalisierung usw.. Thematisieren Sie auch, wie sich hierdurch die Bedürfnisse der Kunden meist schleichend, also in der Alltagsarbeit kaum wahrnehmbar, wandeln. Sprechen Sie mit Ihren Mitarbeitern zudem darüber, wie sich ihr eigenes Leben und (Konsum-)Verhalten ändert – zum Beispiel durch die verstärkte Nutzung der digitalen Medien. Denn nur so schaffen Sie mit der Zeit bei ihnen das Bewusstsein, dass Veränderung ein Bestandteil von Leben ist – ein Fakt, dem man sich stellen muss.
Menschen sind Gewohnheitstiere. Das heißt, sie lieben ein (scheinbar) stabiles Umfeld, denn dieses vermittelt ihnen das Gefühl von Sicherheit. Dasselbe gilt für Gewohnheiten und Routinen, denn sie helfen ihnen, die Herausforderungen im (Berufs-)Alltag zu meistern. Entsprechend verunsichert reagieren sie, wenn plötzlich etwas, das ihnen bisher selbstverständlich erschien, auf dem Prüfstand steht.
Tipps für die Führungskommunikation: Suchen Sie gerade, wenn größere Veränderungen anstehen oder angedacht sind, intensiv das Gespräch mit Ihren Mitarbeitern, um ihnen den erforderlichen Halt und die nötige Orientierung zu geben. Sprechen Sie mit ihnen immer wieder über den Sinn und Zweck des angestrebten Changes – also darüber, wozu er nötig ist. Konzentrieren Sie sich dabei auf das Wesentliche, so dass Ihre Botschaften knapp und klar sind. Verlieren Sie sich nicht in Details. Erarbeiten Sie mit Ihren Mitarbeitern zudem, welche Chancen in der Veränderung liegen; außerdem, was mittel- und langfristig geschieht, wenn nichts geschieht – also alles beim Alten bleibt. Arbeiten Sie mit ihnen auch heraus, wie viele Herausforderungen sie als Person und Organisation in der Vergangenheit bereits gemeistert haben. Vermitteln Sie ihnen so die Zuversicht: „Wir schaffen das, wenn …“. Reden Sie in den Change-Gesprächen mit Ihren Mitarbeitern so, wie Ihnen der „Schnabel gewachsen ist“. Vermeiden Sie einen technokratischen Jargon, damit Sie Ihre Mitarbeiter auch emotional erreichen. Nutzen Sie für Ihre Erläuterungen sprachliche Bilder und Beispiele aus dem Lebens- und Arbeitsalltag der Teilnehmer, statt sich hinter Zahlen zu verstecken. Zum Beispiel: „Wie war das damals, als wir die neue EDV einführten? Da dachten wir auch alle zunächst, dass…. Doch dann….“
Wenn Menschen ein Ziel vor Augen haben und etwas wirklich wollen, dann können sie ungeahnte Energien entfalten. Dann nehmen sie häufig auch Risiken und Unsicherheiten in Kauf, die sie ansonsten scheuen würden.
Tipps für die Führungskommunikation: Sorgen Sie dafür, dass Ihre Mitarbeiter verstehen, was nach dem Change anders sein soll – damit Ihre Mitarbeiter wissen, wohin die Reise geht. Denn nichts verunsichert Menschen so sehr, wie wenn sie nicht wissen, was auf sie zukommt. Dann beginnt die Gerüchteküche zu brodeln und Bedenken verfestigen sich zu Widerständen. Sprechen Sie mit den Mitarbeitern auch darüber, welche Risiken auf dem Weg zum Ziel lauern und was Sie von ihnen auf dem Weg dorthin erwarten. Denn dann können sie sich hierauf einstellen. Und: Entwerfen Sie mit Ihren Mitarbeitern ein Zielbild – also eine klare Vision, wie ihr Arbeitsalltag, ihre Arbeitssituation usw. – sein wird, wenn die angestrebte Veränderung realisiert ist. Fordern Sie Ihre Mitarbeiter auf, sich bildhaft zum Beispiel vorzustellen, wie dann die Zusammenarbeit aussieht. Und was ist dann ihre Rolle? Und was tun sie dann, wenn ein Kunde anruft? Achten Sie darauf, dass die Vision positiv formuliert ist – also keine Aussagen enthält wie „Dann hat nicht mehr jeder einen eigenen Arbeitsbereich“, sondern: „Dann arbeiten wir stärker im Team“. Außerdem keine Konjunktive – also keine Aussagen wie „Dann müssten wir uns in neue PC-Programme einarbeiten“, sondern: „Dann arbeiten wir mit mehr PC-Programmen.“
Eine zentrale Herausforderung bei Change-Prozessen ist es, sicherzustellen, dass alle Beteiligten in die richtigeRichtung marschieren und die hierfür nötigen Informationen haben.
Tipps für die Führungskommunikation: Verständigen Sie sich mit Ihren Kollegen im Führungskreis auf einen Plan, wie das angestrebte Ziel erreicht werden soll – inklusive Meilensteinen, die es auf dem Weg dorthin zu passieren gilt. Erstellen Sie mit ihnen zudem ein Kommunikationskonzept, aus dem unter anderem hervorgeht:
- Wie begründen wir die Notwendigkeit des Changes? Und:
- Wann geben wir im Prozessverlauf den Mitarbeitern, welche Informationen wie?
Denn es verunsichert Ihre Mitarbeiter, wenn sie zum Beispiel von ihren Kollegen aus der Nachbarabteilung erfahren, dass deren Chef andere Projektziele als Sie verkündet hat. Oder dass er seinen Mitarbeitern Infos gab, von denen Sie glaubten, Sie könnten diese Ihren Mitarbeitern noch nicht geben. Dann beginnen Ihre Mitarbeiter an Ihrer Integrität und Glaubwürdigkeit zu zweifeln. Geben Sie Ihren Mitarbeitern zudem, selbst wenn diese Sie noch so bedrängen, keine Versprechen, von denen Sie nicht 100-prozentig wissen, dass Sie sie erfüllen können – wie zum Beispiel, dass sich an ihren Arbeitsinhalten nichts ändert. Sagen Sie den Mitarbeiter klipp und klar: „Das weiß ich noch nicht. Doch wenn ich es weiß, dann….“ Sonst setzen Sie ebenfalls Ihre Glaubwürdigkeit aufs Spiel.
In Change-Projekten ändern sich die Rahmenbedingungen
Change-Prozesse in Unternehmen sind nur bedingt planbar, denn Veränderungen in einem Bereich haben meist Auswirkungen auf andere. Zudem haben zum Beispiel strukturelle und technische Veränderungen in der Regel auch Auswirkungen auf die Arbeitsinhalte und -beziehungen der Mitarbeiter. Und diese erfordern wiederum häufig Einstellungs- und Verhaltensveränderungen von ihnen. Hinzu kommt bei größeren Change-Projekten: Im Projektverlauf ändern sich oft die Rahmenbedingungen, weshalb neben dem Vorgehen, manchmal sogar die Projektziele auf den Prüfstand gestellt werden müssen.
Tipps für die Führungskommunikation: Machen Sie Ihren Mitarbeitern klar, dass die Projektplanung eine vorläufige ist. Verdeutlichen Sie ihnen an Praxisbeispielen die Wechselwirkungen, die beispielsweise zu beachten sind, wenn ein Unternehmen entscheidet: Wir organisieren das Bearbeiten der Aufträge neu. Sonst besteht die Gefahr, dass Ihre Mitarbeiter bei einer Kurskorrektur sagen: „Vor vier Wochen hat unser Chef noch verkündet, dass … und heute verkündet er, dass …“ Das schmälert Ihre Vertrauensbasis. Verzetteln Sie sich beim Beschreiben der Wechselwirkungen jedoch nicht zu sehr in technischen Details und visualisieren sie diese soweit möglich. Sonst erzeugen Sie bei Ihren Mitarbeitern nur Verwirrung.
Menschen vollziehen Einstellungs- und Verhaltensänderungen selten von heute auf morgen. Sie benötigen hierfür Zeit. Unter anderem, weil sie beim Ausprobieren neuer Verhaltensmuster meist die Erfahrung sammeln: So wie wir es bisher gemacht haben, ging es einfacher oder schneller. Deshalb fallen sie rasch in ihre alten Verhaltensmuster zurück, so lange sie noch keine Routine in der neuen Art, Aufgaben zu lösen oder anzugehen, entwickelt haben.
Tipps für die Führungskommunikation: Im Verlauf von Change-Projekten sind Führungskräfte vor allem als „Ermutiger“ und „Ermöglicher“ gefragt. Erläutern Sie Ihren Mitarbeitern an simplen Beispielen, wie schwer es Menschen, also auch Ihnen, fällt, Gewohnheiten aufzugeben – zum Beispiel nur, statt mit der rechten mit der linken Hand die Zähne zu putzen. Erläutern Sie Ihnen zudem, wie Lernprozesse bei Menschen verlaufen und wie lange es dauert, neue Routinen zu entwickeln – zum Beispiel daran, wie wir das Autofahren lernten. Hierbei nahmen wir zunächst alle damit verbundenen Tätigkeiten wie nach dem Weg schauen, lenken, kuppeln, Gas geben, schalten ganz bewusst wahr. Und oft hatten wir das Gefühl „Ich lerne das nie“, weil es uns schwer fiel, die Handlungen zu koordinieren. Und heute? Heute vollführen wir sie ganz nebenbei, so dass wir uns beim Autofahren noch unterhalten und die Landschaft anschauen können. Vermitteln Sie dies Ihren Mitarbeitern. Suchen Sie zudem immer wieder das Gespräch mit ihnen darüber, inwieweit es ihnen gelingt, die neuen Verhaltensweisen zu zeigen oder ihre neuen Aufgaben zu lösen; außerdem darüber, wie Sie sie dabei unterstützen können. Und haben und zeigen Sie Verständnis und Geduld. Denn auch Führungskräfte verändern ihr Verhalten selten von heute auf morgen. Auch sie müssen dies trainieren und einüben.
Veränderung bedeutet stets auch Abschied nehmen – von Gewohntem, bisher Selbstverständlichem, Verhaltensmustern und Routinen, die man häufig im Verlauf vieler Jahre entwickelt und liebgewonnen hat. Das fällt jedem Menschen schwer.
Tipps für die Führungskommunikation: Lassen Sie keinen Zweifel daran aufkommen, dass Ihre Mitarbeiter (und Sie) ihre Komfortzonen verlassen und sozusagen Neuland betreten müssen – mit allen Unsicherheiten, die hiermit verbunden sind. Würdigen Sie jedoch zugleich die Leistung, die Ihre Mitarbeiter in der Vergangenheit erbrachten, und gewähren Sie ihnen die erforderliche Zeit und den nötigen Raum, um sich vom Alten, Liebgewonnenen, Vertrauten, das sozusagen ein Teil der Identität der Mitarbeiter (und des Unternehmens) war, zu verabschieden. Zeigen Sie Empathie und Mitgefühl, und sagen Sie Ihren Mitarbeitern Unterstützung zu, jedoch ohne in eine rückwärtsgewandte Larmoyanz, also Wehleidigkeit, zu verfallen. Versuchen Sie vielmehr, wenn die Zeit reif ist, Schritt für Schritt den Mitarbeitern die neue Rolle, die neue Struktur, das neue Ziel schmackhaft zu machen – damit allmählich die nötige Zukunftsorientierung und Veränderungsenergie entsteht.
Die mit Change-Projekten verbundenen Aufgaben müssen Mitarbeiter meist neben ihren Alltagsaufgaben verrichten. Deshalb ist die Gefahr groß, dass sie liegen bleiben oder zeitlich verzögert ausgeführt werden, weil das Alltagsgeschäft stets dringlicher erscheint.
Tipps für die Führungskommunikation: Brechen Sie das Change-Projekt in Arbeitspakete herunter. Machen Sie Ihren Mitarbeitern klar, welche Beiträge Sie von ihnen im Projekt zusätzlich zum Tagesgeschäft erwarten. Vereinbaren Sie mit ihnen Review-Termine, an denen Sie sich über das Getane informieren. Nur so schaffen Sie die nötige Verbindlichkeit. Signalisieren Sie Ihren Mitarbeiter, dass Sie wissen, dass auf sie Mehrarbeit und eine emotionale Mehrbelastung zukommt. Und versprechen Sie ihnen, dass Sie ihnen jegliche Unterstützung gewähren, die nötig und Ihnen möglich ist. Gehen Sie zudem mit gutem Beispiel voran: Zeigen auch Sie das gewünschte Mehr-Engagement und unterstreichen Sie immer wieder die Notwendigkeit des Changes – zum Beispiel in Meetings.
Bei jedem Change-Projekt gibt es auch Verlierer beziehungsweise Personen, die sich als solche empfinden – zum Beispiel, weil sie befürchten, Privilegien zu verlieren. Deshalb sind neben Einwänden und Bedenken auch Widerstände normal.
Tipps für die Führungskommunikation: Rechnen Sie bei Change-Projekten damit, dass Mitarbeiter Widerstand zeigen. Ist dies der Fall, versuchen Sie im Gespräch mit dem betreffenden Mitarbeiter die Ursachen hierfür zu erkunden. Sind die Widerstände sachlich begründet, versuchen Sie mit dem Mitarbeiter ausgehend vom Zielbild, eine mögliche Lösung zu finden. Liegen die Ursachen im emotionalen Bereich, etwa in der Angst vor der Veränderung, dann versuchen Sie es mit Fragen wie: „Was brauchen Sie, um sich dennoch zu engagieren?“ Hilft das nicht, dann zeigen Sie sich konsequent: „Entweder Sie arbeiten mit, oder …“. Sonst riskieren Sie, dass der „Widerständler“ Kollegen infiziert. Hüten Sie sich davor, den „Widerständlern“ in der Change-Kommunikation zu viel Raum einzuräumen. Fokussieren Sie Ihre Kommunikation auf die Mitarbeiter, die dem Projekt abwartend-zögerlich gegenüber stehen, weil sie Bedenken haben. Versuchen Sie diese als Mitstreiter zu gewinnen – zum Beispiel, indem Sie diese mit Projektbefürwortern Arbeitsteams bilden lassen. Denn dann werden die „Zögerlichen“ von deren Elan infiziert, und es entsteht die kritische Masse von Mitstreitern, die Sie für jedes Projekt brauchen. Die „Widerständler“ hingegen stehen zunehmend auf verlorenem Posten, sofern sie ihre Einstellung und ihr Verhalten nicht ändern.
Der Autor: Michael Schwartz leitet das Institut für integrale Lebens- und Arbeitspraxis (ilea), Esslingen bei Stuttgart, das unter anderem mit dem Steinbeis-Transferzentrum pvm, Reutlingen, eine Changemanagement-Kompaktausbildung anbietet. Der Diplom-Physiker arbeitete vor seiner Beratertätigkeit zwei Jahrzehnte als Führungskraft und Projektmanager in der (Software-)Industrie.