Börsen-Experte Robert Halver stellt seine aktuelle Analyse zu den Aktien- und Rohstoffmärkten für die KW 23 in 2018 vor. Trotz Krisen sind laut seiner Expertise die Silberstreifen am Aktienhorizont unverkennbar.
Nach der gescheiterten Regierungsbildung in Italien ist die Angst groß, dass eine sich weiter vom Euro-freundlichen Polit-Establishment entfernende italienische Bevölkerung ein noch radikaleres Votum bei Neuwahlen trifft. Dies könnte von den populistischen Parteien der 5-Sterne-Bewegung und der Lega Nord als inoffizielles Anti-Euro-Referendum missbraucht werden, um Stabilitäts- und Sparbemühungen zu beenden. Diese italienische Krisenstimmung erschwert nicht zuletzt die Pläne Griechenlands, im August aus eigener Kraft an die Staatsanleihemärkte zurückzukehren.
Tatsächlich sind die Finanzmärkte der Eurozone bereits wieder in altbekannte Krisen-Verhaltensmuster zurückgefallen: Die Kreditausfallprämien 5-jähriger italienischer und spanischer Staatsanleihen sind sprunghaft auf Mehrjahreshochs angestiegen.
Bis zu den frühestens Ende Juli anstehenden Neuwahlen in Italien wird die politische Gemengelage für einen heißen Aktien-Sommer in der Euro-Südzone sorgen. Allerdings kann hiervon der deutsche Markt als stabiler Aktienanker profitieren.
US Strafzölle könnten Aktienverlauf beeinflussen
Latenter Belastungsfaktor für die Aktienmärkte bleibt sicherlich der Handelskonflikt zwischen den USA und der EU. Vom heutigen Standpunkt betrachtet, hat die EU vor Ablauf der von Trump bis 1. Juni verlängerten Schonfrist kein Entgegenkommen signalisiert. Damit ist die Erhebung von Importzöllen auf europäische Stahl- und Aluminiumprodukte nicht mehr zu verhindern.
Die Frage ist, welche weiteren Eskalationsstufen erreicht werden. Dass deutsche Exportunternehmen sich der makroökonomischen handelspolitischen Situation mikroökonomisch anpassen und verstärkt direkt in den US-Exportmarkt investieren, federt sanktionsbedingte umsatzschädliche Reibungsverluste jedoch ab und wirkt sich insofern auch weniger schädlich für deren Aktienkurse aus.
Wenn auch zunächst mit mehr Aktienvolatilität zu rechnen ist, bleibt diese im historischen Vergleich und angesichts der potenziellen Gefahren z. B. aus Italien bemerkenswert niedrig. Verkaufspanik ist nicht auszumachen. Und damit fehlen die Symptome für einen bevorstehenden Aktien-Crash.
Ein Grund liegt darin, dass sich die Anleger vor dem Sommer sehr defensiv positioniert haben und keine Euphorie zeigen. Kleinere (handels-)politische Rückschläge sind bereits eingepreist. Damit fehlt auf der Sentimentebene die Munition für eine markante Aktienkonsolidierung. Bei einer positiven Entwicklung an den Finanzmärkten jedoch wären institutionelle Anleger plötzlich unterinvestiert und müssten den Kursen hinterherlaufen, was eine Kursrallye befeuern würde.
Und natürlich werden EU und EZB den „Fall von Rom“ verhindern, um den Erhalt der Eurozone nicht zu gefährden. Eine verstärkte Schuldenaufnahme, die von der Notenbank zumindest finanziert wird, ist zwar ein stabilitätspolitisches Armutszeugnis. Allerdings sind die Aktienmärkte mittlerweile so „abgebrüht“, dass sie schon zufrieden sind, wenn eine neue und dann mutmaßlich finale Schulden-, Banken- und Euro-Krise verhindert wird.
Nicht zuletzt kommt der wegen Italien schwache Euro den Exportwerten in Europa zugute.
Charttechnisch liegt der erste Widerstand beim DAX bei 12.828 Punkten. Überschreitet der Index diesen nachhaltig, folgen die nächsten Kursziele bei 12.951, 13.033 und 13.133. Darüber nimmt der Index die Marke bei 13.301 ins Visier. Kommt es zu Gewinnmitnahmen, wird die Marke bei 12.651 Punkten getestet. Wird schließlich die Unterstützung bei 12.600 unterschritten, ist mit weiteren Kursverlusten bis zu der Marke bei 12.500 Punkten zu rechnen.
In China zeichnen grundsätzlich stabile Im- und Exportdaten sowie ein komfortabel im Expansionsterrain notierender Einkaufsmanagerindex für den Dienstleistungssektor gemäß Finanznachrichtendienst Caixin ein beständiges Konjunkturbild.
Auch in den USA signalisieren die Auftragseingänge in der Industrie sowie der ISM Index für den Dienstleistungssektor einen stabilen Wirtschaftsverlauf.
In der Eurozone fallen die vom Finanzdatenanbieter Sentix ermittelten Konjunkturerwartungen für die kommenden sechs Monate wegen der Unsicherheiten im Handelskonflikt mit den USA und der italienischen Regierungskrise weiterhin schwach aus. In Deutschland bestätigt der Dreiklang aus Exportzahlen, Industrieproduktion und -aufträgen für April einen schwachen Konjunkturstart in das II. Quartal.
Der Autor dieses Artikels ist Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank AG.
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