Mit der Börsenweisheit „Sell in May and go away” wird in diesem Früh-Sommer durch eine eher Seitwärtsentwicklung im DAX nicht zu rechnen sein. Denn auch an geopolitische Spannungen scheinen sich die Anleger immer mehr zu gewöhnen. Ein Kommentar von Robert Halver, Kapitalmarktexperte der Baader Bank.
Selbst die mögliche Aufkündigung des Atomabkommens mit dem Iran seitens der USA bereitet keine übergroße Sorge. Wirkliche Panik ist ein rares Gut an den Aktienmärkten geworden. Der Handelskonflikt bleibt sicherlich ein markantes Anlegerthema. Doch sorgen versöhnliche Töne von rational denkenden Politikern für Entspannung. So hat zuletzt US-Finanzminister Mnuchin eine Einigung im US-Handelsstreit mit China in Aussicht gestellt. Unternehmens-Amerika müsste „mit der Muffe gepufft“ sein, wenn es bei Gefährdung seiner hoch optimierten Zulieferketten bei Vorprodukten nicht protestieren würde. Im Handelsstreit kommt es Trump jedoch vielmehr auf gesenkte Importzölle für seine Waren in der EU und China an. Die amerikanischen Außenhandelspartner werden Trump schon aus eigenem Exportopportunismus entgegenkommen, um so den Handelskrieg zu befrieden. Allerdings wird der US-Präsident das hoch emotionale Handelsthema bis zur Kongresswahl im Herbst noch ausgiebig „be-twittern“.
Anaylse der Finanzmärkte und Wirtschaftprognosen
Sorge bereiten aktuell sicherlich Inflations- und Zinserhöhungsängste im Zuge der seit Anfang April sprunghaft angestiegenen Ölpreise. Die Renditen 10-jähriger US-Staatsanleihen haben zum ersten Mal seit Januar 2014 die psychologisch wichtige Marke von drei Prozent überschritten. Charttechnisch betrachtet befindet sich der nächste Widerstand bei 3,058 Prozent.
Doch ist der EZB die allgemeine Wirtschaftsabschwächung in der Eurozone nicht verborgen geblieben. Sie nimmt die Stimmungsverschlechterung gerade in den Exportbranchen sehr ernst, da diese den Aufschwung deutlich mitgetragen haben. Daneben begrenzt eine Konjunkturverlangsamung auch den vielfach befürchteten Inflationsdruck. Die EZB kann sich jetzt noch mehr Zeit mit ihrer verschärften Liquiditäts-, vor allem aber Zinspolitik lassen. War bislang Mitte 2019 mit einer ersten Leitzinserhöhung zu rechnen, dürfte sich diese nun nach hinten verschieben. Das Vertrauen der Aktienmärkte in die Konjunkturschmerz lindernde Geldpolitik zeigt sich in einer immer noch vergleichsweise schwachen Schwankungsbreite am deutschen Aktienmarkt.
Überhaupt, der Kollateralnutzen eines Renditevorteils von US-Staatsanleihen gegenüber Anleihen der Eurozone ist die allmähliche Aufwertung des US-Dollars gegenüber Euro. Er bewegt sich bereits auf einem 8-Wochenhoch. Bei fortgesetzter Euro-Abwertung entfällt zunehmend einer der Hauptbelastungsfaktoren für deutsche Unternehmensgewinne. Zugleich wird eine relative fundamentale Stärke deutscher zu US-Exportaktien gestützt.
Im Hinblick auf Saisonalität muss für die deutschen Aktienmärkte die Börsenweisheit „Sell in May and go away“ kaum gefürchtet werden. Dazu fehlt der Kursgewinnpuffer, der sich in den ersten vier Monaten 2018 nicht aufgebaut hat. Gewinnmitnahmen zur Sicherung von Aktienrenditen scheitern mangels Masse.
Die nächsten Widerstände liegen bei 12.489 und 12.524 Punkten. Kann der Index diese nachhaltig überschreiten, liegt das folgende wichtige Kursziel bei 12.651. Darüber nimmt der Index die Barrieren bei 12.722 und 12.951 Punkten ins Visier. Werden diese überschritten, sind Kursgewinne bis zu den Marken bei 13.301, 13.443 und 13.526 möglich. Setzt sich die Konsolidierung fort und wird dabei die wichtige Unterstützung bei 12.450 unterschritten, ist vorerst mit Kursverlusten bis zur Marke bei 12.335, 12.232 und schließlich 12.162 Punkten zu rechnen.