Vox populi, die Stimme des britischen Wahlvolkes, hat gesprochen und den konservativen Tories unter Premierministerin Theresa May ein Desaster beschert. Sie sind zwar noch stärkste Partei, haben aber die absolute Mehrheit verloren. Eine Kolumne von Robert Halver.
Der Plan von May, sich mehr Rückendeckung für die Brexit-Verhandlungen zu sichern, ist völlig gescheitert. Zukünftig sind die parlamentarische Mehrheit im Unterhaus und somit das Verhandlungsmandat der Briten gegenüber der EU so schwach, dass ein harter Brexit nicht mehr möglich ist.
Aufgrund der umfangreichen Scheidungssubstanz ist eine offizielle Auseinandersetzung in zwei Jahren ohnehin Wunschdenken. Es geht um nicht weniger als die Quadratur des Kreises. Immerhin ist eine Verlängerung der Trennungszeit bei Zustimmung beider Seiten problemlos möglich. Im zermürbenden Verhandlungsmarathon dürfte es insgesamt nur noch um die Ausarbeitung eines weichen Brexit gehen. Aber dieser ist weder Fisch noch Fleisch: Entweder man tritt aus der EU aus oder man bleibt in ihr. Das politische Großbritannien wird sich die Frage stellen müssen, ob der Brexit dann nur noch ein populistischer Popanz ist, der dem Land wirtschaftlich schadet.
Bereits aktuell sinken die Immobilienpreise. Eine höhere Arbeitslosigkeit und eine Rezession werden sich nicht verhindern lassen. Dieser Prozess könnte allmählich zu einem Umdenken in der britischen Bevölkerung führen, so dass schließlich über Neuwahlen im nächsten oder übernächsten Jahr auch ein zweites Referendum mit dem Ergebnis eines Verbleibs der Briten in der EU nicht auszuschließen ist. Brüssel und Berlin sind an einer derartigen Entwicklung sehr interessiert, nicht zuletzt um Amerika, China und Russland Paroli zu bieten. In Europa haben sich seit 2008 politische Revolutionen immer wieder gezeigt. Warum sollte eine weitere nicht in Großbritannien stattfinden?
Die Reaktion am britischen Aktienmarkt ist entspannt. Denn ein abwertendes Pfund steigert die preisliche Wettbewerbsfähigkeit britischer Unternehmen. Das Experiment eines EU-Austritts mit völlig unklaren Folgen und sogar einem Exit vom Brexit wird an den britischen Finanzmärkten noch nicht gespielt.
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