Nach dem Wahlsieg von CDU/CSU und dem Ausscheiden der FDP aus dem Bundestag zeichnen sich lange und mühsame Koalitionsverhandlungen ab, an deren Ende eine Große Koalition stehen wird. Dabei dürfte sich die SPD eine Regierungsbeteiligung insbesondere in Steuerfragen teuer bezahlen lassen.
Neben steuerlichen Zugeständnissen dürfte die Union der SPD auch bei Arbeitsmarktreformen – z.B. der Einführung von Mindestlöhnen – entgegen kommen, was der Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft nicht zuträglich ist.
In der Euro-Politik wird sich die Große Koalition mit ihrem politischen Machtpotenzial deutlich flexibler zeigen können als Schwarz-Gelb. Man hat längst erkannt, dass in den prekären Euro-Ländern eine an sich notwendige, reformintensive Wirtschafts- und Finanzpolitik wie in Deutschland politisch nicht durchzuführen ist. Da ansonsten deren Volkswirtschaften jedoch schwach bleiben und die Gefahr sozialer Unruhen droht, wird die Große Koalition neue Euro-Rettungspakete für Griechenland, Portugal und Irland sowie die weitere Aufweichung der Sparanforderungen für die großen Euro-Sorgenkinder Italien, Spanien und Frankreich gutheißen. Mit der gleichzeitigen Tolerierung einer Geldpolitik der EZB, die im Notfall mit unbegrenzten Aufkäufen von Staatsanleihen prekäre Euro-Staaten konjunktur- und finanzmarktseitig stabilisiert, findet die Euroländische Schuldenunion schließlich mit dem Segen von Schwarz-Rot ihre Vollendung.
Die EZB ist schon kurz nach der Bundestagswahl in die geldpolitische Offensive gegangen. Als Konter-Maßnahme gegen möglicherweise aufkommende Liquiditätsängste zeigte sich EZB-Chef Draghi zu einer erneuten großvolumigen Sondervergabe langfristiger Kredite an euroländische Banken nach der Rückzahlung der bisherigen Drei-Jahres-Kredite bis Dezember 2014 und Februar 2015 bereits bereit. Die seit 19 Monate rückläufige Kreditvergabe an die private und gewerbliche Wirtschaft sollen nicht weiter verschärft werden.
Seit Mai hat sich das allgemein steigende Zinsniveau auch am euroländischen Interbankenmarkt bemerkbar gemacht. Diese Zinsbefürchtungen wird die EZB neben einer erneuten Liquiditätsspritze auch durch die langfristige Beibehaltung der ultraniedrigen Notenbankzinsen entspannen.
Insgesamt dürften die großkoalitionär betriebene Schuldenunion und die Federalisierung der EZB zukünftige Krisensymptome in der Eurozone eindämmen. Auch wenn damit von einer Europäischen Stabilitätsunion nicht mehr gesprochen werden kann, wird hiervon die Anlegerstimmung an den europäischen Aktienmärkten dennoch profitieren.
Immerhin befindet sich die euroländische Konjunktur weiter auf Erholungskurs. Der vorläufige Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe in Euroland hat sich mit einem Wert von 51,1 klar über der Expansion anzeigenden Schwelle von 50 stabilisiert. Insbesondere die sich aufhellende Wirtschaftsstimmung in Deutschland – mit einem Wert von 51,3 euroländische Spitze – spricht für eine dynamischere Konjunkturentwicklung ab Jahresende. Dagegen schafft der französische Einkaufsmanagerindex aufgrund ungelöster Strukturprobleme mit einem Wert von 49,5 bereits den dritten Monat in Folge nicht den Sprung in expansives Terrain.
Dass sich die Konjunkturlage in Euroland – immerhin der wichtigste deutsche Exportmarkt – aufhellt, verdeutlichen auch die aktuellen Geschäftsklimazahlen des ifo Instituts. So hat die Geschäftslage zwar minimal nachgegeben, jedoch konnten sich die Geschäftserwartungen erneut aufhellen.
Zur positiveren Stimmung tragen auch die außereuropäischen Märkte bei. Die Entwicklung der chinesischen Wirtschaft nimmt wieder Fahrt auf und besänftigt die Konjunkturängste in den Emerging Markets als Bremsklotz für die Weltwirtschaft. Der von der HSBC Bank veröffentlichte chinesische Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe – er spiegelt vor allem die Stimmung kleiner und mittelständischer Unternehmen wider – stieg mit einem Wert von 51,2 überraschend stark auf ein Sechs-Monats-Hoch und deutet auf die Erreichung des chinesischen Wachstumsziels von mindestens 7,5 Prozent hin.
Setzt man die ifo Geschäftslage und -erwartungen gemäß den vier Phasen eines Konjunkturzyklus zueinander in Beziehung, bewegt sich die deutsche Wirtschaft weiter im Boom-Bereich.
Diese insgesamt zum Ausdruck kommende weltkonjunkturelle Stabilisierung dokumentiert sich nicht zuletzt in einer im Trend anhaltenden Outperformance des konjunktursensitiven MDAX zum deutschen Leitindex DAX.
Inzwischen hat sich die Binnenwirtschaft zu einem bedeutenden Stabilisator für die deutsche Wirtschaft entwickelt. Die stabile Beschäftigungslage trägt laut der Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) zu robusten Einkommenserwartungen bei, die wiederum auf eine weiter anziehende Anschaffungsneigung hindeuten. Zudem laden die geringen Anlagezinsen geradezu ein, Geld auszugeben, statt es zu sparen. Der GfK Konsumklimaindex notiert mit 7,1 auf dem höchsten Stand seit September 2007.
Allerdings sorgt der Haushaltskonflikt in den USA für Moll-Töne an den Finanzmärkten. Sollten sich Demokraten und Republikaner bis zum 1. Oktober nicht auf einen Budgetplan für 2014 einigen, droht bereits die Schließung von Teilen der öffentlichen Verwaltung.
Ungleich dramatischere Folgen für Konjunktur und Finanzmärkte hätte eine ausbleibende Einigung auf die Erhöhung der US-Schuldenobergrenze bis zum 17. Oktober. De jure wären dann die USA bankrott.
Soweit wird es aber wohl nicht kommen. Zunächst könnten etwa 70 bis 80 Prozent der staatlichen Rechnungen bezahlt werden, da sie auf der Einnahmeseite gedeckt sind. Ohnehin werden im Rahmen einer Vorrangseinräumung Zinszahlungen auf Staatsschulden weiter beglichen. Aber sicherlich werden viele Bundesbedienstete ohne Bezahlung nach Hause geschickt, die öffentliche Verwaltung auf ein Minimum reduziert und die Fortsetzung von öffentlichen Investitionsprojekten gestoppt. Die Republikaner, die mit ihrer Renitenz, das Schuldenlimit zu erhöhen, die staatliche Krankenversicherung „Obamacare“ stoppen wollen, werden sich vermutlich einem immer stärkeren öffentlichen Druck ausgesetzt sehen, der sie dann doch zu einer Einlenkung im Budgetkonflikt zwingen wird.
Außerdem werden die Republikaner den Demokraten angesichts der 2014 anstehenden Zwischenwahl nicht die Wahlargumente schenken, dass sie Staatsbankrotteure sind oder ein double dip – den Rückfall der US-Wirtschaft in die Rezession – ausgelöst haben. Ein Szenario wie im August 2011, als der US-Aktienmarkt (S&P 500) innerhalb von gut 2 Wochen um ca. 17 Prozent einbrach, ist daher nicht zu erwarten.
Die US-Notenbank wird ihre Tapering-Pläne an die Entwicklung des Budgetkonflikts anpassen.
Zumindest kurzfristig dürfte das US-Budgetgeplänkel zu einer erhöhten Volatilität an den Finanzmärkten führen. Dazu trägt auch die Ungewissheit über das Fed-Tapering bei. Auch die Schwankungsintensivität deutscher Aktien dürfte mit Blick auf die schwierigen Koalitionsverhandlungen zunehmen.
Aus charttechnischer Sicht gibt die Unterstützung am Jahreszwischenhoch vom Mai bei 8.557 Punkten im Falle einer Korrektur einen ersten Halt. Knapp darunter verläuft die obere Grenze des seit Juli bestehenden flachen Aufwärtstrendkanals bei derzeit 8.535 Punkten. Als weitere Auffanglinie bietet sich darunter die Marke bei 8.457 Punkten an.
Auf der Oberseite verläuft der erste Widerstand in der Zone zwischen 8.720 und 8.770 Punkten. Sollte dieser Bereich signifikant überwunden werden, wartet die nächste merkliche Barriere an der psychologisch wichtigen Marke bei 9000 Punkten.
Da sich der Budgetkonflikt auflösen und sich schließlich eine Große Koalition bilden wird, bleibt es bei einem Kursziel für den DAX von 8.900 Punkten zum Jahresende.
In China dürfte der offizielle Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe weiter gestiegen sein. In Japan weist der quartalsweise erscheinende Tankan Index auf eine verbesserte Stimmung japanischer Großunternehmen hin.
Neben der Tapering- und Budgetdiskussion gilt die Aufmerksamkeit in den USA den anstehenden Konjunkturdaten. Der ISM Index für das Verarbeitende Gewerbe dürfte sich auf hohem Niveau stabilisieren. Auf eine fortgesetzte US-Konjunkturerholung deutet auch die Erholung der Auftragseingänge in der US-Industrie hin. Die Zahlen vom US-Arbeitsmarkt sollten robust ausfallen.
In Euroland dürfte Mario Draghi auf der anstehenden Zinssitzung der EZB deutlich betonen, dass die EZB über ausreichend Instrumente verfügt, um gegen steigende Zinsen vorzugehen.
In Deutschland unterstreichen die Einzelhandelszahlen die große Bedeutung des Konsums als Standbein für die deutsche Wirtschaft.
Der Autor dieses Artikels ist Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank AG. www.bondboard.de
(Foto: Gabi Eder / pixelio.de und EZB)