Der Börsenexperte der Baader Bank, Robert Halver meint: Konjunkturdelle ja, Konjunkturbeule nein! Und: Was führte zum panikartigen Ausverkauf bei den Edelmetallen Gold und Silber?
Ein außergewöhnlich hohes Handelsvolumen am Derivatemarkt, das mit 2.300 umgesetzten Tonnen zumindest auf dem Papier 80 Prozent der gesamten Goldminenproduktion für 2013 entspricht, lässt vermuten, dass Banken mit Blick auf ihre gewaltigen Short-Positionen Haupttreiber dieser Entwicklung waren.
Und sicherlich haben auch die internationalen Notenbanken – Geldgeber der Banken – kein Interesse, das sich ihre Liquiditätsflut hauptsächlich in Preissteigerungen bei Edelmetallen niederschlägt, in letzter Konsequenz sogar zu Ersatzwährungen zum Geld führt ohne jedoch die gewünschten konjunkturellen Impulse zu erzielen. Der massive Einfluss der Geldpolitik auf Realwirtschaft und Finanzmärkte stünde zur Disposition.
Insofern sind auch zukünftig geldpolitische Preisdrückungen am Edelmetallmarkt nicht auszuschließen. Dennoch festigen sich die fundamentalen Argumente für Gold und Silber weiter. Die weltweite Liquiditätsoffensive – die Fed kauft monatlich im Gegenwert von 85 Mrd. US-Dollar Hypotheken- und Staatspapiere auf, die Bank of Japan umgerechnet ca. 70 Mrd. US-Dollar Staatsanleihen – ist preistreibend und drückt gleichzeitig die Renditen für Staatspapiere, die damit keine inflations- bzw. bonitätsgerechten Zinsen mehr bieten.
Außerdem werden Edelmetalle – insbesondere in Indien – physisch weiter gekauft. Und laut US-Münzanstalt hat sich der Absatz von Goldmünzen im April im Vorjahresvergleich bereits versiebenfacht und liegt damit deutlich höher als in den Folgemonaten der Lehman-Pleite.
Übrigens, auch die Notenbanken kaufen Gold und profitieren damit von ihrer eigenen Preissubvention. Auf absehbare Zeit werden die Notenbanken dramatische Preisanstiege der Edelmetalle verhindern, d.h. Konsolidierungen und starke Schwankungen sind immer wieder zu erwarten. Vor diesem Hintergrund sollten Edelmetalle weiterhin eher als werterhaltende Anlageklasse zur inflationsschützenden Diversifizierung der eigenen Vermögensposition betrachtet werden, und zumindest vorerst weniger als Anlageform mit dramatischen Kursphantasien.
Weltweit hat die konjunkturelle Nachrichtenlage in den letzten Tagen eher Moll-Töne angestimmt. Der ökonomische Überraschungsindex der großen Industrienationen – die Citigroup dokumentiert damit positive sowie negative Abweichungen der tatsächlichen von den erwarteten Wirtschaftdaten – zeigt sich abwärts gerichtet. Diese Bedenken fanden zuletzt ihren Niederschlag auch in deutlich sinkenden Rohstoffpreisen – vor allem bei Industriemetallen wie Kupfer sowie Rohöl – die durch den massiven Ausverkauf bei Gold und Silber weiter unter Druck gerieten.
Den aufkeimenden Konjunktursorgen kann sich auch die deutsche Wirtschaft nicht entziehen. So schätzen die vom ZEW befragten Finanzanalysten die aktuelle Konjunkturlage, aber insbesondere die Konjunkturerwartungen mit 36,3 weniger optimistisch ein als noch in den Vormonaten. Offensichtlich hat neben den zuletzt hinter den Erwartungen zurückgebliebenen Wirtschaftsdaten vor allem das Wiederaufflammen der Euro-Krise im Zuge der zyprischen Rettungsaktion für Verunsicherung gesorgt.
Dennoch ist damit zu rechnen, dass die deutsche Konjunkturerholung nach einem verspäteten Start wieder an Fahrt aufnimmt. Ohnehin scheint die tatsächliche Wirtschaftsstimmung weniger dramatisch zu sein, als die Medienkommentierung vermuten lässt. Der Konjunkturpessimismus in der Weltwirtschaft hat sich zuletzt weiter abgeschwächt. So setzt der Einkaufsmanagerindex für das weltweite Verarbeitende Gewerbe von JP Morgan nach einer Verschnaufpause im Februar seinen Aufwärtstrend weiter fort und deutet mit einem Wert von 51,2 – die Expansion anzeigende Schwelle liegt bei 50 – zumindest eine Konjunkturstabilisierung an. Und auch wenn die Prognose zuletzt von 3,5 Prozent herunterrevidiert wurde, wächst laut IWF die Weltwirtschaft 2013 noch um immerhin 3,3 Prozent.
Selbst die Rohstoffpreisentwicklung lässt einen Wirtschaftseinbruch wie im Schreckensjahr 2009 nicht erwarten. In dieses Bild passt die Beobachtung, dass die Entwicklung des Industriepreisindex des Economic Cycle Research Institut – ein Durchschnitt aus 18 auch nicht börsengehandelten Industrierohstoffen – im Vorjahresvergleich auf eine Nachfrageerholung hindeutet.
Und ebenso sollte das chinesische Konjunkturwachstum im I. Quartal 2013 von 7,7 Prozent zum Vorjahr nicht als Gefahr für die Weltwirtschaft, sondern vielmehr als stabiler konjunktureller Übergang Chinas von einem Schwellenland zu einer etablierten Volkswirtschaft mit stabiler und nachhaltig konsumierender Mittelschicht gedeutet werden. Ohnehin liegt das Wachstum weiter über dem von der Regierung angepeilten, nachhaltigen Zielwert von 7,5 Prozent. Zudem liegt die aufwärts gerichtete Neuauftragskomponente des chinesischen Einkaufsmanagerindex für das Verarbeitende Gewerbe mit einem Wert von 52,3 klar im Expansion anzeigenden Bereich und weist ebenfalls auf eine zukünftig solide Wirtschaftsentwicklung Chinas hin. Schätzungen des IWF zufolge dürfte sich 2013 das Wachstum bei acht Prozent einpendeln.
Das Sicherheitsnetz der internationalen Geldpolitik unter der Weltkonjunktur bleibt ohnehin gespannt. Auch die People’s Bank of China ist – wenn nötig – bereit, ihre Geldpolitik weiter zu lockern. Dass Amerika die wirtschaftliche Stabilisierung und den Neustart der USA als Export- und Industrienation mit einer ultralockeren Geldpolitik weiter dramatisch unterstützen wird, bleibt ein Faktum.
Auch in den Reihen der EZB mehren sich unterdessen die Zeichen für weitere geldpolitische Lockerungen. Aufgrund der weltweit betriebenen Währungsabwertungen scheint sich in der EZB – selbst die Deutsche Bundesbank zeigt sich offen – der Widerstand gegen weitere Senkungen des EZB-Leitzinses zu verringern. Die Befürchtung, über die im Euroraum vergleichsweise höheren Notenbankzinsen auch den Euro gegenüber den Konkurrenzwährungen zu stärken und damit gleichzeitig die dringend benötigten Außenhandelsimpulse zu beschneiden, wächst.
Unterdessen setzt sich die US-Berichtsaison für das abgelaufene I. Quartal 2013 freundlich fort. Gute Geschäfte vor allem im Investmentbanking bescherten der Citigroup ein Gewinnplus von knapp 30 Prozent, aber auch die Erholung des US-Immobilienmarktes trug zur Ergebnissteigerung bei. Auch Goldman Sachs erzielte aufgrund der Sparte Investmentbanking eine Steigerung des Nettogewinns von knapp 8 Prozent. Trotz geringerer Erträge aus dem Hypothekengeschäft sowie höherer Rechtskosten kann die Bank of America ihren Nettogewinn vervierfachen, bleibt damit aber hinter den Analystenerwartungen zurück.
[us_quote style=”1″]Der Technologiekonzern Intel hatte unter dem stark schrumpfenden Geschäft mit Notebooks und Desktop-Rechnern zu leiden, der Ausblick stimmt jedoch zuversichtlich. Man will die Marktanteile im Smartphone- und Tablet-Geschäft ausbauen und arbeitet in den USA an einem Internet-Videodienst[/su_quote] Yahoo befindet sich trotz schwächerer Geschäfte im Bereich Display-Werbung dennoch auf Kurs. Microsoft kann trotz Problemen im Software-Kerngeschäft aufgrund der Verkaufsflaute im PC-Geschäft dennoch eine Gewinnsteigerung um 19 Prozent zum Vorjahr vorweisen. Dafür sorgen die Bereiche Unternehmenssoftware, die Sparte um die Videospielkonsole und das Suchmaschinengeschäft. Google überrascht die Analysten mit einer Gewinnsteigerung um knapp 16 Prozent zum Vorjahr und profitiert dabei vor allem von den Werbeeinnahmen im Zuge der Internet-Suche. Der vielversprechende Ausblick deutet eine weitere Integration der zugekauften Tochter Motorola über eine neue Handy-Modellserie an. IBM muss einen um einen Prozent schrumpfenden Nettogewinn hinnehmen und blieb hinter den Analystenerwartungen zurück aufgrund einer Schwäche im Geschäft mit Firmenrechnern. Der Ausblick, insbesondere die voranschreitende Expansion in den Schwellenländern, wird im Markt positiv gewertet.Der Softdrink-Hersteller Coca-Cola musste im I. Quartal zwar einen Rückgang des Nettogewinns um knapp 15 Prozent aufgrund hoher Restrukturierungskosten und Währungseffekte hinnehmen. Die Sondereffekte ausgeklammert, sorgt jedoch ein Gewinnanstieg für Überraschungen bei Analysten. Als Wachstumstreiber fungierten die Schwellenländer Lateinamerikas. Der Ausblick ist positiv.
Die solide Entwicklung in Corporate America schlägt sich in einer stabilen Entwicklung der US-Unternehmensgewinne – gemessen an den MSCI US-Aktienindices – nieder. Pharma- und Konsumwerte setzen ihren positiven Gewinntrend im Hinblick auf die zunehmende Kaufkraft in den Schwellenländern und deren Markennamenorientierung fort.
Auch die Gewinntrends der amerikanische Technologie- und Industriewerte verzeichnen stabile Entwicklungen. Lediglich die Finanzindustrie hält sich zurück. Hier schlägt sich die Sorge über zunehmende Regulierungen und erhöhte Eigenkapitalvorschriften nieder. Immerhin jedoch liefern die Stabilisierung am US-Immobilienmarkt und die damit verbundene Belebung des Hypothekengeschäfts eine wichtige Stütze.
Auf makroökonomischer Ebene verdeutlichen die BIP-Zahlen für das abgelaufene I. Quartal 2013 in den USA einen starken Jahresauftakt der US-Wirtschaft. Eine Fortsetzung dieses Trends verdeutlicht der Einkaufsmanagerindex der Chicago Fed. Auch die US-Auftragseingänge für langlebige Güter weisen auf eine anhaltende, wenn auch weniger starke Investitionsbereitschaft hin.
In Euroland kommt es zum konjunkturellen Stimmungstest in punkto Einkaufsmanagerindices. Die ifo Geschäftsklimadaten, insbesondere die sich grundsätzlich stabilisierenden Geschäftserwartungen, dürften auf eine langsame Wirtschaftserholung in Deutschland hinweisen.
Auf Unternehmensebene geht die Berichtsaison in die nächste Runde. Caterpillar dürfte dabei die anhaltenden Probleme auf dem Bergbausektor zu spüren bekommen. Dagegen dürfte Ford von der starken US-Automobilnachfrage profitieren. Mit Spannung wird erwartet, ob Apple die hohen Fertigungs- und Werbekosten in den Griff bekommen konnte. Für Deutschland sind die Ausblicke der Industriegrößen Bayer, BASF und Daimler wegweisend.
Aus charttechnischer Sicht besteht im DAX zwischen 7450 und 7400 Punkten ein signifikanter Auffangbereich. Zudem geben der weiterhin steigende 200-Tage-Durchschnitt bei aktuell 7377 Punkten und eine noch nicht geschlossene Kurslücke bei 7350 und dem DAX massiven Rückhalt.
Im Falle einer Erholung trifft der DAX auf dem Weg nach oben zwischen 7550 und 7600 Punkten sowie darüber bei 7700 Punkten auf erste Widerstände. Der nächste liegt dann in der Zone um 7872 Punkten. Darüber liegen weitere Hürden bei 7953, im Bereich um die 8000 und am bisherigen Jahreshoch bei 8074 Punkten. Die nächste Barriere wartet dann am Allzeithoch bei 8151 Punkten.
Der Autor dieses Artikels ist Robert Halver, Leiter Kapitalmarktanalyse bei der Baader Bank AG. www.bondboard.de