Die Finanzanalysten des ZEW stellen der deutschen Wirtschaft in puncto Konjunkturerwartungen nur ein wenig dynamisches Zeugnis aus. Immerhin sind die ifo Geschäftserwartungen zuletzt mit einem Indexwert von 101,6 das dritte Mal in Folge gestiegen und haben einen positiven Trend ausgebildet. Von früheren Hochständen sind die Geschäftserwartungen allerdings noch weit entfernt.
Grundsätzlich sollte das Wirtschaftswachstum im I. Quartal zum Vorquartal von 0,7 Prozent (auf Jahresbasis 1,6 Prozent) – und damit der stärkste Anstieg seit zwei Jahren – nicht überschätzt werden. Das Gleiche gilt für die 2016 aufgehellten Wachstumsprojektionen der Deutschen Industrie- und Handelskammer von 1,3 auf 1,5 Prozent. Sie sind maßgeblich auf die geldpolitisch äußerst günstigen Zinszustände zurückzuführen, die Zinssparen zum „Masochismus“ und Kreditaufnahmen attraktiv machen. Von dieser künstlichen Konjunkturbefruchtung profitierten die volkswirtschaftlichen Nachfragesegmente Konsum und Bau.
Schwache Unternehmensinvestitionen bremsen deutsche Aktien Investments
Angesichts der beispiellos niedrigen Kreditzinsen hätte Deutschland auf Jahresbasis jedoch um mindestens zwei Prozent zulegen müssen. Dem stehen als Handicaps jedoch schwache Unternehmensinvestitionen und ein verhaltenes Exportumfeld im Wege. Die Schwellenländer wachsen verhaltener und auch die USA haben sich von früher deutlich robusteren Wirtschaftswachstumsraten verabschiedet. Und dennoch, auch wenn der weltkonjunkturelle Kuchen kleiner wird, muss Deutschland wirtschaftspolitisch alles tun, um sich die besten Stücke zu sichern. Das heißt, Reformen zur Verbesserung der Infrastruktur und der deutschen Standortfaktoren insgesamt sind dringend zu ergreifen. Die aktuell praktizierte Nachlässigkeit muss zügig aufgegeben werden, denn der Prozess der Digitalisierung, der in den USA und Asien längst stattfindet, bedroht auch unsere Vorzeigebranchen in der Industrie.
Sich lediglich auf die Position zurückzuziehen, dass Deutschland immerhin wirtschaftlicher Europameister ist, befriedigt nicht. Man muss über den europäischen Tellerrand hinwegschauen. Mit Verlaub, unsere wirkliche Konkurrenz sitzt in Übersee. Das ist unsere starke Konkurrenz. Für Deutschland kann es nur das Ziel „Industrie-Weltmeisterschaft“ geben. Dann kann der deutsche Aktienmarkt sogar einen unabhängigen Aufwärtstrend erreichen.